Windkraft und Kulturlandschaft im Rheingau- Taunus-Kreis
Resolution
Die Unterzeichner wünschen von den politischen Entscheidungsträgern des Rheingau-Taunus Kreises, der Regionalversammlung Hessen Süd,
des Regierungspräsidiums Darmstadt und des Landes Hessen, dass diese…
- die Bevölkerung über den vollen Umfang des in den nächsten Jahren beabsichtigten Ausbaus der Windkraft und die damit zu
erzielenden energetischen Gesamt-Effekte aufklären;
- vor dem Hintergrund der Unsicherheiten hinsichtlich des tatsächlichen Bedarfs an Windkraftanlagen Kriterien des Naturschutzes
und des Schutzes von Kulturlandschaften entsprechend dauerhaft berücksichtigen
- eine stringente und nachhaltige Beachtung des kulturellen Erbes und des Naturschutzes als Schutzgüter in der Raumplanung
verfolgen. Die im Hinblick auf den Erhalt und die Entwick-lung des kulturellen Erbes und der historisch gewachsenen Kulturlandschaft
formulierten Grundsätze im Raumordnungsgesetz (ROG), hessischen Landesplanungsgesetz (HLPG), hessischen Denkmalschutzgesetz (HEDSchG),
Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und hessischen Naturschutzgesetz (HENatG) sind konsequent einzuhalten. Bauleitpläne sind den Zielen der
Raumordnung (auch kulturelles Erbe und Kulturlandschaft) anzupassen
- dem Wildwuchs von Windkraftanlagen durch Eigeninitiativen einzelner Gemeinden und Städte Einhalt gebieten und eine umfassende
Regional-Planung unter Berücksichtigung der hier erwähnten Kriterien durchführen
- dem Schutz von Panoramen, Sichtbeziehungen und Sichtachsen Rechnung tragen und Windkraftanlagen nicht vornehmlich im Wald oder
an visuell exponierten Standorten, wie z.B. in Kuppenlagen ermöglichen
- bestimmte Gebiete explizit als windkraftfrei vorsehen, wenn diese in der Nähe von sehr hoch bedeutsamen
Kulturlandschaftsbereichen liegen bzw. wenn diese in ihrer Geschichts-trächtigkeit beeinflusst werden und dadurch das kulturelle
Erbe in seiner Bedeutung herabgesetzt wird. Der Managementplan des Landesamtes für Denkmalpflege sollte hier als Leitline dienen
und weist im Rheingau-Taunus-Kreis nachfolgende Kulturlandschaften von universeller, europäischer und sehr hoher Bedeutung aus:
- Welterbegebiet Oberes Mittelrheintal und Limes
- Klosterlandschaft Eberbach
- Klosterlandschaft Gronau
- Weinbaulandschaften Johannisberg und Vollrads
- Parkwald Niederwald
- Rodungsinseln im Rheingaugebirge und Hinterlandswald
- Wispertal, Aartal, Bäderlandschaft von Bad Schwalbach und Schlangenbad
Erläuterungen
Die geplante Energiewende erfordert die Bereitschaft der Gesellschaft, damit einhergehende Veränderungen mitzutragen.
In den aktuellen Diskussionen im Rheingau-Taunus-Kreis steht besonders die Erzeugung von Strom durch erneuerbare Energieträger
und hier vor allem durch Windenergie im Vordergrund.
Die mit der Windenergiegewinnung verbundene Umgestaltung des äußeren
Erscheinungsbildes Deutschlands wird von vielen Politikern grundsätzlich als akzeptabel angesehen, insbesondere im Abgleich mit den
Risiken der Atomkraft. So wurde für Hessen beschlossen, etwa 1.500 neue Windkraftanlagen zu errichten.
Es ist absehbar, dass erheblich mehr Windkraftanlagen in den kommenden Jahren errichtet werden.
Die mit dem Ausbau der Windkraft
einhergehende Umgestaltung der Kulturlandschaft ist vielfältig. Jeder Windpark verändert die Landschaft in ihrer Maßstäblichkeit,
was in empfindlichen Bereichen mit einer landschaftsästhetischen Veränderung von Kulturgütern und touristischen Qualitäten und
Potenzialen einhergehen kann. Die erhebliche Anzahl künftiger Windkraftanlagen erfordert eine vorausschauende Raum-Planung, damit
empfindliche und schützenswerte Gebiete erhalten bleiben. Derzeit fehlt in Südhessen eine überregionale Planung, so dass einzelne
Gemeinden Windkraftanlagen auch in kulturlandschaftlich empfindlichen Bereichen planen können.
Eine besondere Verantwortung trägt
die Denkmalpflege im Hinblick auf die Bestimmung der Landschaftswirksamkeit von Bau- und Bodendenkmalen. Die vorliegende Resolution
möchte das Bewusstsein für kulturlandschaftliche Werte und Bewertungsmaßstäbe im Rheingau-Taunus-Kreis schärfen, um Fehlentwicklungen
zu vermeiden.
Natur-, Landschafts- und Denkmalschutz als Kriterien bei der Festlegung von Windkraftstandorten
Bei der Auswahl von Windkraftstandorten werden Windstärken sowie gesetzliche Mindestvorgaben berücksichtigt. In vielen Fällen
erfolgt eine erste Auswahl des Standortes auch auf Wunsch des privaten oder öffentlichen Grundstückeigentümers. In Südhessen soll
das Regierungspräsidium eine übergeordnete Regionalplanung sicherstellen.
Im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) § 1, Abs. 4, Nr. 1
wird vorgegeben: „Zur dauerhaften Sicherung der Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie des Erholungswertes von Natur und Landschaft
sind insbesondere Naturlandschaften und historisch gewachsene Kulturlandschaften, auch mit ihren Kultur-, Bau- und Bodendenkmälern,
vor Verunstaltung, Zersiedelung und sonstigen Beeinträchtigungen zu bewahren.“
Verantwortliche für Natur-, Landschaftsschutz und
Denkmalpflege sehen in der zunehmenden Überformung und Technisierung sowie im Verlust der Maßstäblichkeit eine erhebliche Beeinträchtigung
der Kulturlandschaft, wodurch die Wertschätzung der Kulturlandschaft und damit auch des kulturellen Erbes verloren gehen kann.
Das gilt auch für die Ansiedlung von Windkraftanlagen, die als großflächige Überformungen das kulturlandschaftliche Erbe mit den
historisch gewachsenen Strukturen und Kulturlandschaftsbereichen erheblich beeinträchtigen können.
Kulturlandschaftsbezogene Bewertung von Windkraftstandorten im Rheingau-Taunus-Kreis
Das Schutzgut „Landschaftsbild“ muss, wie gesetzlich verankert (z.B. im ROG, BNatSchG, LG), fester Bestandteil jeder Planung sein
und verbindlich in der Regionalplanung, in der kommunalen Bauleitplanung sowie bei Einzelgenehmigungen berücksichtigt werden.
Gemeint sind hier zum Beispiel visuell empfindliche Fernblicke von Höhenlagen, naturraumtypische Landschaftselemente auf den
Kuppen oder Sichtachsen zwischen prägenden Landschaftselementen. Die im Rheingau-Taunus-Kreis vorliegende Mittelgebirgs-Landschaft
erfordert daher besondere Maßstäbe an die Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen, damit die vorhandenen landschaftsästhetischen,
ökologischen und touristischen Werte erhalten bleiben.
Insbesondere visuell exponierte Standorte mit prominenten Sichtachsen und Flächen sind für die Identifikation mit der
Kulturlandschaft von herausragender Bedeutung und müssen bei einer Abwägung besonders gewichtet werden. Solcher Art
Landschaftsqualitäten lassen sich nicht „verlegen“ und anderswo wieder herstellen, sondern sind unmittelbar ortsgebunden.
Das Landesamt für Denkmalpflege hat den Rheingau-Taunus-Kreis im Jahre 2011 kulturlandschaftlich bewertet. Die Ergebnisse dieser
Untersuchung sind zur sorgfältigen Abwägung bei Standortentscheidungen prinzipiell geeignet, in der Weise dass die visuelle Wirkung
von Windkraftanlagen in unmittelbarer Nähe zu den als bedeutsam gekennzeichneten Flächen in der Planung berücksichtigt werden kann.
Insgesamt kann damit im Rheingau-Taunus-Kreis neben der Windstärke und den gesetzlichen Mindestvorgaben auch eine
kulturlandschaftsbezogene Bewertung Berücksichtigung finden. Werden letztere Bewertungskriterien nicht einbezogen, so ist die
Kulturlandschaft in einem unverhältnismäßigen Maße gefährdet; Fehlentwicklungen wären die Folge.
Detaillierte Ergebnisse dieser Untersuchung finden sich im Anhang.
Quellnachweise zu den Fußnoten:
- [1]
- [2]
- [3] www.fr-online.de/rhein-main/energiekonsens-in-hessen-einig-ueber-1500-neue-windraeder,1472796,11131416.html
- [4]
- [5]
- [6]
- [7] Landesamt für Denkmalpflege 2011 „Kulturlandschaftsschutz auf kommunaler Ebene“ (Managementplan) Entwurf
- [8] Landesamt für Denkmalpflege 2011 „Kulturlandschaftsschutz auf kommunaler Ebene“ (Managementplan) Entwurf
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